Vor 32 Jahren, am 09. November 1989, fiel die innerdeutsche Grenze zwischen der BRD und DDR. Die Deutschen waren nach rund 40 Jahren wiedervereint und die Mauer in der sogenannten Todeszone wurde abgetragen. Die ehemalige Grenze avancierte über die letzten Jahrzehnte mit dem Mauermuseum und Führungen an den Grenzübergängen in Berlin zur Touristenattraktion. Dass sich die Grenze jedoch durch ganz Deutschland zog, vergessen viele. Sie verlief über 1.393 km von Lübeck bis ans Erzgebirge. Anstelle der Zäune und Mauern finden sich hier mittlerweile naturbelassene Grünflächen – das Grüne Band Deutschland.
Das Grüne Band macht seinem Namen alle Ehre. Es besteht aus 150 Naturschutzgebieten mit über 1.200 bedrohten Tierarten, die zusammen den größten Biotopverbund Deutschlands bilden. Ein ideales Ausflugsziel für Natur-, Tier- und Wanderfreunde. Das dachten sich auch die zwei Langstreckenläufer Michael Maier und Walter Eberhard aus Villingen-Schwenningen. Die zwei waren 2009 durch eine Fernseh-Dokumentation auf das Grüne Band aufmerksam geworden.
Neugierig erkundeten sie über die Dauer von zwei Jahren diesen beeindruckenden Natur- und Geschichtslehrpfad. Obwohl die Strecke von der Ostsee zur Tschechischen Grenze per Luftlinie nur 420 km beträgt, war die Grenze 1.393 km lang. Grund hierfür sind die historischen Grenzen des „Deutschen Bunds“ von 1815. In fünf Blöcken waren sie insgesamt 31 Tage unterwegs. Um die gesamte Strecke zu bewältigen, legten sie etwa 40 km täglich zu Fuß zurück.
Die beiden waren begeistert von dem geschichtsträchtigen Pfad. Dieser hatte so viel zu bieten, dass sie nicht das Gefühl hatten alles gesehen zu haben. Sie besuchten das Grüne Band weitere zehn Mal und verbrachten über 50 zusätzliche Tage in der faszinierenden Naturlandschaft. Während den Touren entstanden etwa 7.000 Fotos sowie der Wunsch, das Grüne Band auch anderen näher zu bringen. Im Buch „Das Grüne Band aus einem etwas anderen Blickwinkel“ schreibt Walter Eberhard über ihre facettenreichen Erlebnisse. Das Buch erscheint noch 2021 beim Neuer Weg Verlag. Auch bietet er im Rahmen des Projekts Vorträge an (siehe Infos unten).
Interview
In diesem Interview spricht Walter Eberhard über die gemeinsame Erschließung des Grünen Bands und den Entwicklungsprozess von sportlichen Wettkämpfen hin zu Slow Travel.
Was genau ist das Grüne Band?
Das Grüne Band ist der ehemalige Grenzstreifen zwischen BRD und DDR. Gleich nach der Öffnung der innerdeutschen Grenze ging vom Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) die Initiative aus, den Grenzstreifen zu schützen. Er sollte ein Rückzugsgebiet für Tiere und Pflanzen werden. So wurde der Todesstreifen zur Lebenslinie. Langfristig soll das Gebiet zum größten Wald- und Offenland-Biotop-Verbundsystem Mitteleuropas werden. Von der Ostsee bis zum Vogtland soll auf diese Weise ein Nationalpark entstehen.
Während der aktiven Grenzzeit verlief ein Metallgitterzaun zwischen den zwei Seiten. Die Fläche direkt am Zaun wurde pflanzenfrei gehalten. Über diesen Todesstreifen hinaus gab es einen mindestens 500 Meter breiten, ebenfalls streng bewachten „Schutzstreifen“ mit niedrig gehaltener steppenähnlicher Vegetation. Dem war zusätzlich eine fünf Kilometer breite Sperrzone vorgelagert, in der Verkehr und Industrie stark eingeschränkt wurden. Auf der Westseite im Zonenrandgebiet tat sich in dieser Beziehung auch nicht viel. In diesem Gebiet blieb Flora und Fauna viele Jahre ungestört. Besonders profitierten davon vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten. Die gesamte Fläche des Grünen Bands, die so zwangsläufig nur geringem menschlichen Einfluss ausgesetzt war, wird deshalb auf 8.000 km2 hochgerechnet. Das entspricht ungefähr der Hälfte der Fläche Thüringens oder knapp einem Viertel der Fläche von Baden-Württemberg.
Könntest du die Landschaft kurz umreißen, die ihr bei der Begehung heute vorgefunden habt?
Die Landschaft ist wirklich sehr unterschiedlich. Durch die Grenze war es ein sehr strukturschwaches Gebiet, was es bis heute geblieben ist. Das heißt, es liegen keine Großstädte am Grünen Band. Vorhandene Dörfer wurden mitunter „geschleift“, das heißt dem Erdboden gleichgemacht. Die DDR hat damals etwa 15.000 Menschen im Grenzgebiet zwangsumgesiedelt. Da sie an der Grenze lebten wurde ihnen automatisch Grenzhilfe und Verrat am Sozialismus vorgeworfen. Auch wenn sie einfach nur ihren Berufen nachgingen oder Bauernhöfe bewirtschafteten und nichts mit Politik oder Flüchtenden zu tun hatten.
Dadurch ist das Grüne Band heute ein ländliches Gebiet ohne große Städte, das durch seine Länge aber sehr vielseitig ist. Von kleinen, grünen Tälern bis hin zu wüstenähnlichen Gebieten, wie dem Urstromtal der Elbe, ist alles dabei. Die Elbe konnte sich am Hauptstrom zudem zu einer wunderschönen Flussaue entwickeln, eben weil dort die Grenze war. Es war ja damals einer der wichtigsten deutschen Wasserstraßen. Wäre dort nicht das Grenzgebiet verlaufen, hätte sich dort sicher Industrie angesiedelt. Deshalb ist das Grüne Band sehr ursprünglich und naturbelassen. Oftmals ist gar nicht erkennbar, dass dort einmal die innerdeutsche Grenze verlief.
Einzig am Kolonnenweg kann man sich die ehemalige Grenze wirklich vorstellen. Das sind Straßen aus Lochbetonplatten, auf denen damals die Fahrzeuge entlangfuhren, um die Grenze zu sichern. Neben dem Kolonnenweg verlief der Kontrollstreifen: ein Streifen aus Sand, der durch Fußspuren eventuelle Fluchtaktivitäten sichtbar machte. Wachtürme sind vereinzelnd auch noch vorzufinden. Allerdings wurde der Kolonnenweg vielerorts abgetragen. Die Anwohner wollten die Grenze nicht mehr wahrnehmen und alle Spuren beseitigen. Teils werden die Flächen aber auch von Landwirten genutzt und zum Acker umfunktioniert. Da sind die Lochbetonplatten dann teilweise am Rand aufgestapelt.
Teile der Grünflächen sind dementsprechend in öffentlichem Besitz und andere Flächen wiederum in Privatbesitz. Das liegt am Mauergrundstücks-Gesetz, das nach der Grenzöffnung in Berlin erlassen wurde. Dabei wurden alle Flächen, die an der Grenze verliefen als Bauland freigegeben. Für Landwirte war das natürlich sehr interessant, um ihre Wirtschaftsflächen zu vergrößern. Ohne den Schutz der Naturparks und Biotope wären heute sicher nicht mehr so viele Grünflächen, insbesondere Wälder, vorhanden. Daher kann man auch nur im übertragenen Sinne vom Grünen Band sprechen – weil die Bestrebung da ist, es zum Biotop-Verbund zu ernennen und als Naturschutzgebiet zu erhalten.
Sind viele Menschen auf dem Grünen Band unterwegs?
Das Grüne Band ist wahnsinnig groß, es erstreckt sich über 1.393 km. Da verteilen sich die Menschen, die auf der Strecke unterwegs sind, natürlich. An markanten Punkten trifft man vor allem auf Tagestouristen, wie beispielsweise an Point Alpha. Das war im Kalten Krieg ein wichtiger militärischer Stützpunkt der Amerikaner. Heute ist es eine Gedenkstätte mit Museum zur Erinnerung der deutschen Teilung. An einem schönen Tag ist da ganz schön was los und der Ort dient auch als Ausgangspunkt für Spaziergänge. Nach solchen Punkten ist man aber in der Regel schnell wieder allein.
Ist das Grüne Band gut beschildert?
Ich würde sagen, es ist „uneinheitlich beschildert“. Mancherorts ist die Beschilderung sehr gut und die Dichte an Wegweisern hoch. An anderen Stellen des Grünen Bands gibt es keinerlei Schilder und sogar die Platten des Kolonnenwegs, an denen man sich orientieren könnte, sind weggeräumt. Teilweise waren Wegstrecken auch völlig zugewachsen, weil sie nicht gepflegt wurden. Wir haben uns in solchen Fällen an den Karten orientiert und auch Kirchtürmen oder ähnlichen Wegmarken, die uns eine grobe Richtung vorgaben. Ich weiß nicht genau, wie das geregelt ist, nehme aber an, dass für die Beschilderung der Kreisverband oder die jeweilige Kommune zuständig ist. Und das fällt dann natürlich in der Umsetzung ohne einheitliche Regelung sehr unterschiedlich aus.
Inwieweit ist eine Infrastruktur für Wanderer vorhanden? Gibt es z.B. Auffüllmöglichkeiten für Wasser, Läden oder Gastronomie entlang der Strecke?
Nein, überraschenderweise ist das Grüne Band bislang gar nicht auf Wanderer ausgerichtet. Es gibt keine Wasserstationen und kaum Lokale oder Angebote, die sich an Menschen richten, die auf dem Naturpfad unterwegs sind. Wir haben unsere Wasserflaschen immer morgens in der Unterkunft aufgefüllt und tagsüber nur ein paar Müsliriegel gegessen. Abendessen gab es dann wieder in der nächsten Übernachtungsmöglichkeit. Die Unterkünfte, kleine Pensionen oder Gästezimmer, haben wir vorab gebucht und wussten dann immer wo wir in der kommenden Nacht unterkommen.
Das Grüne Band ist sehr geschichtsträchtig. Ist das ehemalige Grenzgebiet für Kulturinteressierte bereits erschlossen?
Ja, tatsächlich gibt es schon einige Museen und Informationsangebote entlang des Grünen Bands – ich schätze es gibt etwa 15 Museen. Zum Großteil geht es um militärische Themen, wie bei Point Alpha, bei denen die alte Grenze mit Zaun und Wachtürmen vorhanden und zugänglich ist. Das sind oftmals Freilandmuseen, in denen das Grenzgebiet aussieht wie damals. Diese Museen tragen natürlich nicht den Begriff „Grünes Band“ im Namen, sondern heißen beispielsweise Grenzmuseum Schifflersgrund, Grenzlandmuseum Eichsfeld oder Gedenkstädte Deutsche Teilung Marienborn.
Bei Point Alpha gibt es dann zusätzlich die alten U.S.-Baracken, die besichtigt werden können. Dort werden beispielsweise Fotos gezeigt, wie die Grenze gesichert war, wie sie in der Nacht aussah usw. Die Ausstellungen an solchen Orten sind in der Regel sehr schlicht und analog, ohne technische Elemente, wie Filme oder interaktive Stationen. Ich empfand das aber als sehr passend, da es auch die Zeit von damals widerspiegelt. Es ist auch sehr eindrücklich, wenn Einzelschicksale vorgestellt werden. Denn obwohl die Grenze heute als „Glücksfall für die Natur“ gilt, sind etwa 1.000 Menschen beim unerlaubten Grenzübertritt zu Tode gekommen.
Und dann gibt es noch kleinere Kommunalmuseen, bei denen in Ortschaften einfach ein Gemeindehaus zum Museum umfunktioniert wurde. Auch stößt man unterwegs immer wieder auf Informations-Tafeln, die von Historienvereinen angelegt wurden. Manche Menschen möchten das Wissen um die Grenze und die damalige Zeit einfach erhalten.
Was habt ihr euch unterwegs angeschaut?
Point Alpha und ein paar Kommunalmuseen haben wir besichtigt. Dann hat sich aber unser Interesse auf den Bergbau verlagert und wir haben viele Bergwerke und Technische Denkmäler besucht. Den Schieferabbau in Lehesten im Thüringer Wald fanden wir beispielsweise sehr interessant. Die Region ist für das „Blaue Gold“ bekannt, eine hochwertige Schieferart, die durch ihre mineralische Zusammensetzung blau glänzt. Es gibt übrigens keinen Zusammenschluss dieser Museen und Denkmäler, sodass man auf einer Karte einen Überblick zum kulturellen Angebot erhält. Vom BUND findet man eine Grüne Band-Karte online. Diese beschränkt sich aber hauptsächlich auf Ökologie – Wälder, Biotope und Naturparks.
Wie habt ihr die ehemalige Grenze heute erlebt? Seid ihr mit Menschen vor Ort, also Zeitzeugen, ins Gespräch gekommen?
Michael und ich sind sehr offen unterwegs gewesen. Wir wollten mit den Menschen ins Gespräch kommen und haben viele direkt angesprochen. Besonders interessant waren z.B. Menschen, die von der Grenze gelebt haben. Es gab von der Zentrale für politische Bildung initiierte Informationsreisen, bei denen es mit dem Bus über die Grenze in die DDR ging. Dort waren dann Reiseleiter an Bord, die etwas zu den jeweiligen Stationen erzählt haben. Das wurde seitens der BRD zur antikommunistischen Hetze genutzt.
Im Grenzgebiet gab es daher viele Taxi- und Busunternehmer, die ihren Betrieb auf Basis dieser Grenzreisen aufgebaut hatten. Als die Mauer fiel gab es plötzlich keine Informationsfahrten mehr und die jeweiligen Unternehmer verloren ihre Existenzgrundlage. Wir haben beispielsweise einen Taxi-Fahrer getroffen, der damals eine Taxi-Firma besaß, die deshalb Pleite ging. Dieser Stress hatte für ihn schwerwiegende gesundheitliche Folgen.
Ein anderes eindrückliches Gespräch hatten wir mit einer älteren Dame, die damals in der DDR gelebt hatte. Es stellte sich heraus, dass sie in der Zeit des Nationalsozialismus‘ mit ihrem Bruder das Konzentrationslager Ausschwitz überlebt hatte. Sie hatte also nicht nur die Spaltung Deutschlands durchlebt, sondern zuvor auch Unglaubliches in der Nazi-Zeit durchlitten. Später wurde ihr Bruder beim Versuch, die Grenze Richtung Westen zu überqueren, erschossen. Auf solche Begegnungen waren wir zu Beginn unserer Reise gar nicht vorbereitet.
Welche Bedeutung hat das Grüne Band deiner Meinung nach für Deutschland?
Mir geht es persönlich darum, das Grüne Band bekannt zu machen, denn viele wissen gar nicht, wie interessant und geschichtsträchtig es ist. Es erzählt nicht nur von der ehemaligen Teilung Deutschlands – die Mauer war nun mal ein Verbrechen der DDR an der eigenen Bevölkerung. Es liegen aber auch ein ehemaliges Konzentrationslager (Dora Mittelbau) und zwei UNESCO-Kulturerbe-Stätten an der Strecke – die Lübecker Altstadt und die Oberharzer Wasserwirtschaft. Die Erhaltung des Grünen Bands ist sehr wichtig für das Geschichtsbewusstsein der Deutschen, insbesondere bezogen auf den Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg. Es wird viel zu selten erwähnt, dass der Hitler-Faschismus Ausgangspunkt für die Teilung Deutschlands war. So etwas sollte sich nie wiederholen. Dafür ist das Grüne Band ebenso eine Erinnerungsstätte.
Diese Reise hat mein Natur- und Geschichtsverständnis ordentlich umgekrempelt. Es hat mich gelehrt, dass die Natur uns eigentlich nicht braucht. Sie kommt auch ganz gut ohne uns Menschen aus. Das Grüne Band sollte meiner Meinung nach unter Prozessschutz gestellt werden (mehr dazu siehe graue Box unten). Das ist eine Naturschutzstrategie aus der Forstwirtschaft, bei der nicht in die natürlichen Prozesse des Ökosystems eingegriffen wird. Wir Menschen sollten Schüler der Natur werden und nicht der Natur diktieren, wie sie auszusehen hat. Vor diesem Hintergrund teile ich mit dem BUND die Überzeugung, dass das gesamte Grüne Band unter Schutz gestellt werden sollte. Es ist reif sowohl zum nationalen Naturmonument erklärt zu werden sowie in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen zu werden.
Was hältst du von Slow Travel? Siehst du dich selbst als Slow Traveller?
Den Begriff habe ich erst über deinen Blog Travel Slowly kennengelernt. Aber ich würde schon sagen, dass Michael und ich seit langem Slow Traveller sind. Gestartet sind wir als Langstreckenläufer. Da haben wir viel ausprobiert. Die Hatz nach der Uhr, sprich auf Zeit zu laufen, wurde uns aber zu langweilig. Also reduzierten wir das Tempo. Und siehe da wir nahmen die Natur viel intensiver wahr. Wir haben uns in Folge zu Hobby-Landschaftsforschern entwickelt. Beispielsweise sind wir die die baden-württembergische Grenze abgegangen, die noch heute durch Grenzsteine markiert ist. Auch die Veränderungen im Gesteinsvorkommen fanden wir spannend. Das Wandern brachte uns Distanz zum Alltag und führte zu Erholung – jenseits von Stress, Hast und Termindruck. Diese Einstellung hat uns auch auf dem Grünen Band begleitet.
Lesetipp: In Berlin wurde die DDR und BRD rund 28 Jahre durch die Berliner Mauer geteilt (1961 – 1989). Wer gerne mehr über die innerdeutsche Grenze in der deutschen Hauptstadt erfahren möchte, kann sich auf der Website Chronik der Mauer informieren.
Vortrag zum Grünen Band
Walter Eberhard bietet Vorträge zum Grünen Band an. Diese sind über folgende E-Mail-Adresse buchbar:
info(ä t )bajus-ausdauerschule.de
(unbezahlte Werbung)
Ausführung zu Prozessschutz von Walter Eberhard
Die Erde ist ca. 4,5 Mrd. Jahre alt. Der Mensch veränderte ihre Oberfläche mit der sogenannten Kulturlandschaft gerade mal seit ca. 10.000 Jahren. Stellt sich da nicht die Frage, wie die Erde ohne den Menschen klarkommen konnte? Sie hat eigene Prozesse entwickelt, die vom Menschen erst ansatzweise erforscht sind.
Mangels wissenschaftlicher Erkenntnisse herrschte lange die Vorstellung, die Erde sei durch den Menschen beliebig formbar. In den Barockgärten waren bspw. Heerscharen von Gärtnern unterwegs, um der Natur menschlichen Willen aufzuzwingen. Im Sprachgebrauch gelten noch heute Wildkräuter als Unkraut, Insekten als Ungeziefer und Gifte (Pestizide) sind geadelt als Pflanzenschutzmittel. Ganz krass sind die Wald- und Ackermonokulturen, sowie krankhaftes Festhalten an einem umweltfeindlichen Mobilitätssystem.
Alles ist kurzfristigen ökonomischen Zielen vor allem von Konzernen untergeordnet. Das hat den Planeten in die Klimakrise geführt. Erst langsam setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Wissenschaft die natürlichen Prozesse studieren muss, um die Einheit von Mensch und Natur wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Das nennt man „Prozessschutz“. Nur dann kann es gelingen die Klimakatastrophe zu verhindern.
1992 hielt der Fourth World Congress on National Parks and Protected Areas in Caracas eine wichtige Erkenntnis fest: „Die Natur hat sich seit Jahrmillionen unabhängig vom Menschen entwickelt. Auch heute kann sie ohne Pflege durch den Menschen existieren. In natürlichen Lebensgemeinschaften laufen ständig dynamische Prozesse ab.“[1]
[1] Bibelriether, Hans (2017): Natur Natur sein lassen, Freyung, S. 135.
Artikel von Anika Neugart.