Sandra, Mitte Dreißig, arbeitet als Managerin einem Game Reserve in Kenia. Hier her kommen Touristen aus der ganzen Welt, um auf Safaris die vielen afrikanischen Tiere zu sehen, die in dem Gebiet leben. Als Kenianerin mit deutschen Wurzeln kann Sandra mit Deutsch, Englisch und Spanisch ideal auf die verschiedenen Gäste eingehen. In einem Telefonat berichtete sie mir von ihrem Arbeitgeber „Zebra Hills“ (Name geändert) und beantwortete mir Fragen zu der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit von Safaris.
Safaris gehen auf die Zeit des Kolonialismus zurück. Damals galt es Trophäen zu schießen – am besten alle Big Five, einen Löwen, Elefanten, Leoparden, Büffel und ein Nashorn. Heute ist das Trophäen-Jagen in vielen afrikanischen Ländern verboten, so auch in Kenia. In einigen Ländern ist es noch erlaubt, z.B. in Namibia, Zimbabwe, Sambia, Mozambique, Tansania und Süd Afrika. Die meisten Touristen schießen heute jedoch lieber Fotos von den Tieren. Dies ist in offenen Nationalparks möglich, die mit dem Auto selbst befahren werden oder in privaten Game Reserves, wo geführte Touren mit Jeeps oder auch zu Fuß stattfinden.
Die Regierung hat den einzelnen Stämmen Kenias verschiedene Landabschnitte zu gewiesen, erklärt mir Sandra. Die „Zebra Hills“ liegen auf dem Land der Massai, die Bereiche des Game Reserves auch mit Vieh und Äckern bewirtschaften. Das Gelände hat eine Größe von rund 133.550 Hektar, die Hälfte des Saarlandes. Davon sind 243 Hektar nur für die wilden Tiere bestimmt. Der restliche Bereich ist von den Menschen genutzt und mit Jeeps befahrbar. Das Game Reserve ist das größte in Kenia. Der Träger ist ein Süd Afrikanisches Unternehmen, das sehr viel für den Erhalt der Flora und Fauna in Afrika tut. Dies ist nicht nur gut für die Natur, sondern auch für das Unternehmen, denn eine blühende Landschaft und Artenvielfalt locken die Touristen ins Land, was Einkünfte generieren.
Jeder Gast zahlt dem Game-Reserve eine Conservation Fee, die in die Region fließt sowie eine Abgabe für die Group Ranch, in der die Angestellten leben. 57 % der Einheimischen der Umgebung sind bei dem Game Reserve angestellt. Es werden nur Menschen von außerhalb eingestellt, wenn keine Fachkräfte unter den Einheimischen gefunden werden. Zudem sind dreimonatige Praktika in allen Abteilungen möglich, von der Küche, den Läden über das House Keeping hin zu Gästeservice.
Das Game Reserve wird neben den Touristen von großen Investoren finanziert. Das Geld fließt in die Conservation, also den Erhalt des Parks, aber auch in Charity Work, in wohltätige Zwecke. Beispielsweise zahlen die „Zebra Hills“ 24 Lehrerinnen und Lehrern der Schulen in der Region das Gehalt. Es gibt auch eine Initiative, die Bäume anpflanzt. Auf Mängel, wenn es z.B. an Wasser, Nahrung oder ähnlichem bei den Einheimischen mangelt, reagiert das Game Reserve mit Unterstützung. Dieses Konzept aus Unternehmen und Stiftung ist laut Sandra weit verbreitet.
Das Angebot wird von den Touristen sehr gut angenommen. Generell sei umweltbewusstes Reisen in Kenia ein Trend. Während in den 80ern und 90ern günstige, jedoch rücksichtslose Safari-Pauschalreisen gebucht wurden, ließ die Nachfrage in den 2000ern langsam nach. Die Touristen wollen heute nicht mehr in einem Four-Season-Hotelkomplex abgeschottet von der Umgebung sein. Sie möchten eine Reise buchen, die einen positiven Einfluss auf den Reiseort hat. Sie planten die Safari-Reise häufig Jahre im Voraus und versuchten in Rücksprache mit ihrer Reiseagentur bewusste Entscheidungen zu treffen. Sandra betont, das sei natürlich auch eine Form von Luxusreise, eine Safari zu buchen, die ein gutes Gewissen ermöglicht. Als Game Reserve muss man dieser Nachfrage entsprechen, um besucht zu werden.
Zusammengefasst: Sandra arbeitet in einem ökologisch und sozial nachhaltigen Game Reserve. Es gibt jedoch noch viele schwarzen Schafe unter den Anbietern – vor allem in anderen afrikanischen Ländern, wo teils auch Trophäenjagen legal ist. Inwiefern eine Safari daher als Slow Travel zu werten ist, erforschen wir im nächsten Abschnitt.
PRO. Safaris sind Slow Travel
Tierschutz: Die Game Reserves bieten den Tieren ein artgerechtes Leben auf großen Flächen im gewohnten Klima und sind daher weitaus besser als Zoos. Die Tiere sind geschützt vor Wilderern und anderen Gefahren der modernen Welt. Tierarten werden erhalten und können sich geschützt fortpflanzen, was besonders gut für die vom Aussterben bedrohte Tierarten, wie die Giraffe, ist. Auch die Tierdichte ist höher in geschützten Gebieten. Im Gegensatz zu Nature Parks ist die Personenanzahl bei privaten Game Reserves begrenzt. Das heißt, weniger Autos und Personen sind bei Tiersichtungen dabei und es entstehen ruhigere Momente für Tier und Mensch.
Sandra meint zudem, die meisten Nationalparks und Game Reserves in Kenia seien gar nicht eingezäunt. Wenn ein Bereich abgesperrt sei, dann häufig zum Schutz der Menschen, die im jeweiligen Gebiet lebten. Dass die Menschen den Tieren so nahe seien, sei auch von Vorteil, denn ohne Safaris generierten die Tiere ökonomisch betrachtet keinen Geldwert, der ihren Schutz rechtfertigte. In den „Zebra Hills“ würden die Tiere auch kaum beeinträchtigt. Obwohl es der größte Game Reserve sei, gäbe es nur fünf Autos. Das Masai Mara National Reserve hingegen sei bekannt dafür, die Tiere massiv zu stören.
Naturschutz: Safarigelände, sei es ein Nature Park oder Game Reserve, ist geschütztes Gelände, das erhalten bleibt. Das ist positiv für die Biodiversität. Da Game Reserves teils künstlich angelegt sind, werden Pflanzen bewusst angepflanzt und neue Tiere ins Gelände gebracht, was den Lebensraum erweitert. Einige Game Reserves, wie Sandras, haben sich den Naturschutz, Conservation, zum Ziel gesetzt.
Wissen und Aufklärung: Safaris vermitteln Wissen über die Tierarten in Afrika. Einige Anbieter klären über Wilderei und Probleme von exotischen Souvenirs, wie Elfenbein, Krokodilleder oder Fellen auf. Das trägt zur Bewusstmachung der Fragilität unsere Ökosystems und der Erde insgesamt bei. Reisende lernen: die Erde ist schützenswert.
Sandra erzählt, dass es auch eindrücklicher sei, vor Ort die Probleme zu erleben und nicht nur in den Medien davon zu hören. Beispielsweise gab es vor kurzem eine schlimme Dürre in Kenia. Ihr Game Reserve habe damals fünf Monate lang die Malzeiten von 8.500 Kindern bezahlt. Die Touristen, die in der Zeit vor Ort waren, bekamen mit, was es bedeutete, wenn Tiere starben und Menschen hungerten. Eine solche Erfahrung wecke auf und ließ die Touristen eine neue Verbindung zur Natur bekommen. Im Idealfall änderten sie ihr Verhalten zu einem ökologisch nachhaltigen, wenn sie zurück zu Hause wären.
Auch gäbe es in den „Zebra Hills“ Kids Camps für einheimische Kinder. Diese seien wichtig für die Aufklärung der Bevölkerung, welche die Tiere meist nur in Kontext von Gefahr kenne, wenn Elefanten Felder zerstörten oder Löwen ihre Kühe oder Schafe rissen. Einige dieser Bildungsprojekte seien umsonst und andere für zahlende Klientel.
Nachhaltig für Reisende: Die Lodge (Unterkunft) liegt in der Regel auf dem Safari-Gelände und die Reisenden nächtigen damit direkt in der Natur. Sie lernen im Austausch mit lokalen Guides viel über die Tiere und Natur Afrikas. Statt Sightseeing moderner Gebäude oder denkmalgeschützter Ruinen steht die Natur im Zentrum der Reise. Eine Safari ist daher sehr erholsam für die Teilnehmenden und die Erfahrungen klingen noch lange nach.
Lokale Wirtschaft wird gestärkt: Durch Safaris und die Angebote, die zu Game Reserves dazu gehören, entstehen Jobs für Einheimische. Sie sind wichtige Einkommensquelle für private Landbesitzer und die Bevölkerung in abgelegenen Gebieten. Sandra betont, dass auch die Frauenquote sehr gut sei in Game Reserves. Das beschränke sich nicht nur auf die niederen Tätigkeiten. Sie kenne viele Reservate, die von Frauen geleitet würden.
KONTRA. Safaris sind kein Slow Travel
Umweltbelastende Anreise und Transport: In der Regel unternehmen Touristen Flugreisen, um das Land für die Safaris zu erreichen, was einen hohen CO2-Ausstoß erzeugt. Nicht jedes Game Reserve ist außerdem nachhaltig ausgerichtet. So gibt es z.B. Angebote für Gäste, mit lauten Motorrädern oder Quads durch das Gelände zu fahren. Mit einem Reisestopp ist es auch nicht getan. Häufig bleiben die Touristen nur wenige Tage in einem Game Reserve oder Nature Park. Sobald sie die Big Five gesehen haben, geht’s auf zum nächsten Reiseort, der auf der Must-See-Liste steht.
Sandra erwähnt darüber hinaus, dass selbst Touristen, die sich auf Safaris fokussiert hätten, ein sehr umweltschädliches Reiseverhalten aufweisen. Sie nähmen oft kleine Propellermaschinen, um von Lodge zu Lodge zu fliegen – häufig seien es drei bis vier Orte, die für die Safaris angesteuert würden. Viele Touristen machten längere Reisen über bestimmte Gebiete oder würden von Tansania nach Kenia zur nächsten Safari fliegen.
Tierhaltung fragwürdig: Wilde Tiere werden in Game Reserve in einem teils abgesperrten Gebiet gehalten, was nichts anderes als ein großer Käfig ist. Sie werden zu Ausstellungsobjekten und in ihrer natürlichen Umgebung gestört, sei es auch nur von Safari-Jeeps oder dem Personal. Zudem können die Tiere sich an Menschen gewöhnen und dadurch ihre natürlichen Instinkte verlieren, wie beispielsweise keine Angst mehr vor ihnen haben. Es gibt hier auch sehr negative Beispiele, wie Safari-Anbieter, die den Kontakt mit Tieren ermöglichen, z.B. das Streicheln von Baby-Löwen. Die Tiere werden ausgebeutet, des Weiteren können sich auch Krankheiten von Menschen auf Tiere übertragen.
Sandra pflichtet diesem Punkt bei – die Ausbeutung von jungen Tieren sei schlimm. Oftmals würden die Tiere für die Streichelangebote eigens gezüchtet. Es gäbe aber auch Anbieter, die Tiere extra für die Jagd züchteten, was noch trauriger sei. Zu dem Vergleich mit dem Käfig meint sie, dass die Tiere nur beschränkt seien, wenn es ein geschlossenes Game Reserve sei und sie ihre natürlichen Migrationsbewegungen nicht vollziehen könnten. Wenn es beispielsweise dann zu viele Elefanten gäbe, da diese sich nicht selbst aufteilen könnten, müssten sie teils geschossen werden, um die Population in den Griff zu bekommen. Ansonsten zerstörten die Tiere das Gebiet. In Kenia sei das eher weniger ein Problem. Hier seien die Migrationswege offen. Der Kruger Nationalpark sei bekannt dafür, ein Problem mit geschlossenen Routen zu haben. In manchen Gebieten sei die völlige Umzäunung aber auch die einzige Option, um überhaupt ein Nature Reserve zu erstellen, das Platz für wilde Tiere generiere.
Spärliche Wissensvermittlung: In vielen Nationalparks oder Game Reserves fehlt es an fundierter Wissensübermittlung, wie Broschüren, Objekttafeln, Ausstellungsräumen oder gar Vorträgen. Es geht den Touristen häufig nur um die Erlebnisse und Jeep-Ausfahrten mit Tiersichtungen für die Urlaubsfotos. Vielleicht findet auch eine Fokussierung auf die Big Five, statt auf alle Tiere, statt, was eine Bevorzugung von nur wenigen Arten erzeugt. Das Erlernen von unbekannten Tierarten bleibt hier auf der Strecke.
Hier käme es wie immer auf den Safari-Anbieter an, meint Sandra. In ihren Kids Camps gäbe es beispielsweise viel Unterrichtsmaterial, wie Mal- und Quizbücher und es gäbe Kurse, wie man Feuer macht und Insekten jagt und bestimmt.
Wenig Kontakt zur Kultur vor Ort: Game Reserves sind künstliche Orte, die für Touristen geschaffen wurden. Sie sind weit weg von der Kultur und dem Leben der Einheimischen. Lokale Gerichte sind zwar häufig auf Speisekarten der Safari Resorts zu finden, jedoch werden sie in der Anzahl von westlichen Angeboten, wie Burger, Pizza und Pasta weit übertroffen. Die Touristen möchten gerne Vertrautes essen. Zwar besteht Kontakt zu den Einheimischen, diese sind aber immer nur Bedienstete; sie fahren den Jeep, putzen die Lodge oder bedienen im Restaurant. Die Gäste der Game Reserves sind meist besser betucht und aus dem Ausland. Einheimische können sich Safaris in der Regel nicht leisten.
Sandra kontert, dass sie gegenteiliges Feedback erhalte. In den „Zebra Hills“ kämen Gäste häufig wieder, da sie Beziehungen zum Personal aufgebaut hätten. Das käme zustande, da die Guides auch gerne gemeinsam mit den Gästen zu Abend essen würden und das Personal insgesamt viel über das Umland und ihr Land erzählte. Dieser Austausch sei vom Unternehmen gewünscht, denn dann bauten die Gäste eine Bindung zum Ort auf. Von den Einheimischen käme die Interaktion jedoch meist von Herzen.
Fazit
Der Austausch mit Sandra zeigt, nicht alles an Safaris ist ausbeuterisch und umweltschädlich – vor allem solch vorbildliche Game Reserves wie die „Zebra Hills“ leisten sehr viel für die Bevölkerung und den Schutz von Tieren und ihrer natürlichen Umgebung.
Safaris können Slow Travel sein, wenn folgende Punkte beachtet werden:
- Nachhaltige Touranbieter / Safari Lodges wählen, ohne das Streicheln von Tieren, Quads, Motorräder und Co. Die Anbieter sollten auch darauf hin weisen, Abstand zu den Tieren zu halten, ruhig zu sein, beim Fotografieren keinen Blitz zu nutzen und die Tiere nicht zu stören.
- Nicht nur für eine einwöchige Safari nach Afrika fliegen. Wenn möglich, einen längeren Aufenthalt einplanen, z.B. durch einen beruflichen Aufenthalt, eine Langzeitreise, ein Auslandsjahr, ein Freiwilliges Soziales Jahr o.ä.
- Durch Spenden an eine Organisation den CO2-Ausstoß der die Flugreise kompensieren.[1] Sandras Unternehmen arbeitet gleich mit zwei Organisationen zusammen, die solche Spenden in Klimaprojekten umsetzen: das Redd+ Project und Wildlife Works.
- Länger an dem Ort der Safari bleiben und ihn als Erholungsort nutzen. Wer weniger herumreist, stößt weniger CO2 aus. Dies ist für die Reisenden auch nachhaltiger, da sie in einen tieferen Austausch mit den Einheimischen des Game Reserves oder des Nature Parks kommen.
- In den Restaurants keine importieren Früchte oder Gemüsearten sowie Fleischprodukte bestellen. Einheimische Gerichte bevorzugen, am besten mit Produkten, die aus der Region stammen. In Kenia ist das laut Sandra sehr gut möglich, da viele Lodges Permakultur-Gärten betreiben und die Lebensmittel aus eigener Produktion stammen. Kenia produziert mittlerweile auch sehr viel eigenen Käse und pflanzt exotische Früchte, u.a. Beeren, an.
- Für den Naturschutz spenden, wenn es das Angebot gibt, sodass das Gelände und die Tiere erhalten bleiben.
[1] Es gibt Anbieter, wie atmosfair und myclimate, über die Reisende den CO2-Ausstoß ihres Flugs ausgleichen können.
Artikel von Anika Neugart
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